Monotheismus und Kosmotheismus

Ägyptische Formen eines „Denkens des Einen“ und ihre europäische Rezeptionsgeschichte



Heute wird die altägyptische Religion als Polytheismus eingestuft, mit vollem Recht natürlich, wenn man an die Fülle der Göttergestalten denkt, die uns hier entgegentritt. Zu fragen ist allerdings, was mit einer solchen Bezeichnung eigentlich gesagt ist. Sie erhält ihren Sinn nur in der Gegenüberstellung mit dem Monotheismus, dem Typus einer Religion also, die nur einem einzigen Gott gilt und die daher programmatisch auf der Einheit und Einzigkeit Gottes besteht. Zwar ist ‚Monotheismus‘ kein antiker Begriff, sondern wird erst im 17. Jh. geprägt, aber er kann doch zumindest von da an als Selbstdefinition der unter diesem Begriff zusammengefaßten Religionen gelten. Kein Polytheismus definiert sich jedoch über Ablehnung von Einheit und Affirmation von Vielheit. So etwas gibt es nur im metaphorischen Gebrauch des Begriffs.

Das trifft aber auf die altägyptische Religion nicht zu, und vermutlich verhält es sich bei anderen Polytheismen ganz ähnlich. Die Vielheit ist hier kein Thema, so wie in monotheistischen Religionen die Einheit und Einzigkeit ein Thema ist. Ganz im Gegenteil: in altägyptischen Texten stoßen wir vielmehr immer wieder auf eine emphatische Thematisierung von Einheit. Der Gedanke der Einheit, das „Denken des Einen“, um Beierwaltes’ treffende Formel aufzugreifen, spielt in den religiösen Texten der alten Ägypter eine zentrale und ständig wachsende Rolle.